skiptomaincontent

Betriebsübergang

Arbeitsrecht

Köln, 31. Oktober 2019

Erhöhter Vertrauensschutz bei Betriebsübergängen: BAG wendet bei „kollidierenden Betriebsvereinbarungen“ die 3-Stufen-Theorie an.

 

Das Bundesarbeitsgericht hat seine Rechtsprechung zum Schutz bestehender Versorgungszusagen entscheidend weiterentwickelt. Danach ist die für Fälle der Ablösung von Versorgungsordnungen entwickelte 3-Stufen-Theorie auch bei Betriebsübergängen zu beachten.

 

Worum geht es genau?

Soll beim Arbeitgeber eine bestehende Betriebsvereinbarung zur betrieblichen Altersversorgung (bAV) durch eine neue Betriebsvereinbarung abgelöst werden, sind die Versorgungsanwärter(innen) nach der Rechtsprechung durch die Grundsätze des Vertrauensschutzes und der Verhältnismäßigkeit vor ungerechtfertigten Eingriffen geschützt.

Zum geschützten Besitzstand gehört dabei nicht nur die bereits erdiente bzw. erreichte Anwartschaft. Bei endgehaltsabhängigen Versorgungszusagen gehört dazu auch die „erdiente Dynamik“, also Erhöhungen der erdienten Anwartschaft aufgrund zukünftiger Gehaltsanpassungen. Selbst die zukünftigen dienstzeitabhängigen Zuwächse an Versorgungsanwartschaften sind, wenn auch schwächer, geschützt. Je nachdem, in welche Besitzstandsstufe eingegriffen werden soll, sind Eingriffsgründe von unterschiedlichem Gewicht erforderlich: „Zwingende Gründe“ bei einem Eingriff in die erdiente bzw. erreichte Anwartschaft (1. Stufe), „triftige Gründe“ bei einem Eingriff in die erdiente Dynamik (2. Stufe) und (immerhin noch) „sachlich-proportionale Gründe“ bei einem Eingriff in zukünftig noch zu erdienende Anwartschaftszuwächse (3. Stufe).

Ist die bAV beim Arbeitgeber durch eine Betriebsvereinbarung geregelt und gehen die Rechte und Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis im Zuge eines Betriebsübergangs nach § 613a BGB auf einen Erwerber über, bei dem die bAV ebenfalls durch eine Betriebsvereinbarung geregelt ist, gilt an sich folgende „Kollisionsregel“ (§ 613a Abs. 1 Satz 3 BGB): Sofern der übergehende Betrieb seine Betriebsidentität (nach Organisationsstruktur und Betriebszweck) verliert, gilt die Betriebsvereinbarung des Erwerbers. Andernfalls gilt die im veräußerten Betrieb bestehende Betriebsvereinbarung fort, es sei denn, sie trifft beim Erwerber auf eine  kollidierende Gesamt- oder Konzernbetriebsvereinbarung.

Doch auch dann, wenn die im veräußerten Betrieb geltende Betriebsvereinbarung „verdrängt“ wird, ist nach ständiger Rechtsprechung aus Gründen des Vertrauensschutzes der bis zum Betriebsübergang erdiente bzw. erreichte Versorgungsbesitzstand aufrechtzuerhalten. Wenn die Versorgungsansprüche nach der Betriebsvereinbarung des Erwerbers im Versorgungsfall hinter dem zurückbleiben, was bis zum Betriebsübergang erdient war, greift der Besitzstandsschutz in Höhe des Erdienten. Damit war bisher im Ergebnis lediglich die zum Zeitpunkt des Betriebsübergangs erdiente bzw. erreichte Anwartschaft, also die 1. Besitzstandsstufe, geschützt.

In seiner Entscheidung vom 22.10.2019 (3 AZR 429/18) erklärt das BAG nun, dass die Grundsätze des Besitzstandsschutzes nach der 3-Stufen-Theorie auch dann zu beachten sind, wenn eine Versorgungsordnung infolge eines Betriebsübergangs nach § 613a Abs. 1 Satz 3 BGB durch eine beim Erwerber im Zeitpunkt des Betriebsübergangs bereits geltende Betriebsvereinbarung abgelöst wird. Im entschiedenen Fall hielt das BAG die beim Erwerber bestehende (Gesamt-)Betriebsvereinbarung für ungeeignet, die beim Veräußerer kraft Betriebsvereinbarung geltende Versorgungsordnung abzulösen. „Die damit verbundenen Eingriffe hielten einer Überprüfung anhand des dreistufigen Prüfungsschemas nicht stand.“, so die Pressemitteilung des BAG. Der Vertrauensschutz geht damit grundsätzlich über das beim Betriebsübergang bereits Erdiente bzw. Erreichte hinaus.


Für wen ist das Thema relevant?

Die Entscheidung des BAG ist für alle Betriebserwerber relevant, deren bAV durch eine Betriebsvereinbarung, die mit der Betriebsvereinbarung des Veräußerers zur bAV kollidiert, geregelt ist.


Wo sehen wir Handlungsbedarf?

Betriebserwerber werden sich zukünftig noch intensiver damit auseinandersetzen müssen, ob und inwieweit durch Betriebsvereinbarung geregelte Versorgungszusagen, die im Zuge von Betriebsübergängen übernommen wurden, durch bereits bestehende bAV-Betriebsvereinbarungen abgelöst werden können. Gewünschte Harmonisierungen sind nur noch unter Berücksichtigung der Vertrauensschutzgrundsätze nach der 3-Stufen-Theorie möglich.

Wenn Sie Unterstützung wünschen, zögern Sie nicht, sich an Ihren Kundenbetreuer zu wenden.

 

zum Download