Köln, 30. August 2021
Das Institut der Wirtschaftsprüfer (IDW) hat einen neuen Rechnungslegungshinweis verabschiedet, durch den die handelsrechtliche Bilanzierung rückgedeckter Versorgungszusagen wesentlich verändert wird. Der Hinweis ist spätestens für Bilanzstichtage ab dem 31.12.2022 verpflichtend anzuwenden.
Worum geht es genau?
Bei rückgedeckten Direktzusagen erfolgt nach der bisherigen handelsrechtlichen Praxis oftmals eine getrennte Bewertung und Bilanzierung der Verpflichtungen des Unternehmens gegenüber den Versorgungsberechtigten einerseits (Erfüllungsbetrag nach § 253 HGB) und der Ansprüche des Unternehmens gegenüber dem Rückdeckungsversicherer andererseits (Aktivwert). Eine Ausnahme bilden jene Zusagen, bei denen sich die Höhe der Versorgungsleistungen des Arbeitgebers nach den Leistungen der Rückdeckungsversicherung richtet. Hier wird der Erfüllungsbetrag gemäß § 253 Abs. 1 Satz 3 HGB aufgrund der Kongruenz der Zahlungsströme nach den Grundsätzen für wertpapiergebundene Zusagen mit dem Aktivwert der Rückdeckungsversicherung bewertet.
Aufgrund der unterschiedlichen Bewertungsannahmen ergeben sich (je nach Konstellation teilweise recht hohe) Unterschiede zwischen Erfüllungsbetrag und Aktivwert, die dem Bilanzleser eine Unter- oder Überdeckung suggerieren, die wirtschaftlich gar nicht vorhanden ist. Durch den jetzt veröffentlichten Rechnungslegungshinweis wird der Grundgedanke, dass bei kongruenten Zahlungsströmen identische Bilanzansätze auf Aktiv- und Passivseite resultieren sollten, auch auf Zusagen ausgedehnt, bei denen in der arbeitsrechtlichen Versorgungsregelung kein direkter Bezug auf die Leistungen der Rückdeckungsversicherung genommen wird.
Als Maßstab für die Prüfung, ob und inwieweit eine (teilweise oder volle) Kongruenz vorliegt, dient künftig der Vergleich der erwarteten Zahlungsströme seitens
- des Arbeitgebers an den Versorgungsberechtigten und
- der Rückdeckungsversicherung an den Arbeitgeber.
Soweit eine Kongruenz vorliegt, sind diese Zahlungsströme künftig auf Aktiv- und Passivseite mit dem gleichen Bewertungsansatz zu erfassen. Dabei besteht ein Wahlrecht, ob
- die Rechnungsgrundlagen des § 253 HGB („Primat der Passivseite“) oder
- die Rechnungsgrundlagen des Versicherungstarifes („Primat der Aktivseite“) verwendet werden.
Soweit sich höhere Zahlungen der Rückdeckungsversicherungen („Überversicherung“) ergeben, sind diese auf Basis der Rechnungsgrundlagen der Versicherung zusätzlich zu aktivieren. Soweit sich höhere Zahlungen des Arbeitgebers („Unterversicherung“) ergeben, sind diese mit dem Erfüllungsbetrag nach § 253 HGB zusätzlich als Pensionsrückstellung zu bilanzieren.
Der Rechnungslegungshinweis lässt leider viele für die Praxis wesentliche Detailfragen offen, die derzeit in den Fachgremien von Versicherungsunternehmen, Aktuaren, Wirtschaftsprüfern und Beratern diskutiert werden.
Für wen ist das Thema relevant?
Das Thema betrifft alle HGB-Bilanzierer, die Rückdeckungsversicherungen zur Finanzierung unmittelbarer Pensionszusagen abgeschlossen haben.
Wo sehen wir Handlungsbedarf?
Aufgrund der Vielzahl zu klärender Fragen, aber auch der bilanziellen Einmaleffekte im Jahr der Umstellung, empfehlen wir eine zeitnahe Prüfung,
- ob und inwieweit eine (teil-)kongruente Rückdeckung vorliegt,
- welche Angaben künftig von den Versicherungsunternehmen bereitgestellt werden müssen,
- ob und in welchem Umfang sich bilanzielle Auswirkungen ergeben,
- ggf. ob und welche Anpassungen an Ihrem Versorgungssystem erfolgen sollten.
Gerne unterstützen wir Sie bei der Prüfung sowie bei der Abstimmung der Vorgehensweise mit den Wirtschaftsprüfern und den Versicherungsunternehmen.
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