Köln, 15. Juni 2023
Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat in zwei Entscheidungen vom 17.1.2023 (3 AZR 220/22 und 3 AZR 501/21) eine für den Versorgungsfall vorgesehene einseitige Kapitalabfindungsmöglichkeit des Arbeitgebers bzw. Versorgungsträgers bewertet. Es fordert, dass zumindest eine „Wertgleichheit“ zwischen Kapital- und Rentenauszahlung bestehen muss.
Worum geht es genau?
In Direkt- und Unterstützungskassenzusagen ist mitunter vorgesehen, dass der Arbeitgeber im Versorgungsfall statt der zugesagten Rentenleistung ohne Zustimmung des Versorgungsberechtigten auch eine Kapitalleistung erbringen kann (einseitige Kapitalabfindung).
Kritisch ist dieses einseitige Abfindungsrecht dann, wenn Zweifel daran bestehen, dass die Kapitalleistung nicht dem „Wert“ der Rentenzahlungen entspricht.
Konkret hat das BAG in der Entscheidung 3 AZR 220/22 die Kapitalabfindungsmöglichkeit für den Fall verneint, dass statt der Renten die 10-fache Jahresrente ausgezahlt wird. Das BAG ordnete den Leistungsplan der Unterstützungskasse als Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) ein. Der Vorbehalt der Kapitalabfindung stelle eine sog. Ersetzungsbefugnis des Versorgungsschuldners dar, die ihm erlaube, die geschuldete Rentenleistung durch eine andere Leistung, ein Kapital, zu ersetzen. Leistungsänderungsvorbehalte sind in AGB jedoch nach § 308 Nr. 4 BGB unwirksam, wenn nicht die Vereinbarung der Änderung unter Berücksichtigung der Interessen des Verwenders der AGB für die andere Vertragspartei zumutbar ist. Das im Leistungsplan vorgesehene einseitige Kapitalabfindungsrecht sei rechtlich unwirksam, da die Kapitalleistung von geringerem Wert als die zugesagte Rente sei. Eine Klausel, die eine Ersetzung durch „eine nicht mindestens (bar)wertgleiche Kapitalleistung“ vorsehe, sei für den Versorgungsempfänger unzumutbar. Das BAG definiert in dieser Entscheidung jedoch nicht, was unter der (Bar-)Wertgleichheit zu verstehen ist und welche Rechnungsgrundlagen hier anzusetzen sind.
In der parallelen Entscheidung 3 AZR 501/21 betraf das Kapitalabfindungsrecht eine Direktzusage. Die Höhe der einmaligen Kapitalzahlung sollte dabei dem versicherungsmathematisch nach § 6a EStG ermittelten Barwert der künftigen Versorgungsanwartschaften und Versorgungsansprüche entsprechen. Das BAG problematisiert - durchaus bemerkenswert - den damit zugrunde zu legenden Rechnungszins von 6% nicht. Das Urteil könnte damit zumindest als Indikation dafür dienen, dass der steuerliche Rechnungszins bei einer Kapitalisierung einer Rente arbeitsrechtlich nicht zu beanstanden ist. Unseres Erachtens unkritisch dürften der HGB- oder IFRS-Rechnungszins als objektivierbare Bewertungsmaßstäbe sein, zumal sie zu deutlich höheren Ansätzen als dem steuerlichen Teilwert führen und sich hieran auf absehbare Zeit auch nichts ändern wird.
Für wen ist das Thema relevant?
Das Thema betrifft alle Arbeitgeber,
- die Unterstützungskassen- oder Direktzusagen erteilt haben, die ein einseitiges „Kapitalabfindungsrecht“ des Arbeitgebers vorsehen,
- bei denen die Kapitalabfindung der Rente nicht (bar)wertgleich ist und
- die weiterhin die Möglichkeit der Kapitalabfindung nutzen wollen.
Wo sehen wir Handlungsbedarf?
Bestehende Leistungspläne und Direktzusagen sollten darauf überprüft werden, ob sie den Anforderungen der Urteile standhalten. Hier sind insbesondere Kapitalabfindungsklauseln zugunsten des Arbeitgebers bzw. Versorgungsträgers in Verbindung mit nicht wertgleichen Umrechnungen kritisch. Dazu gehören insbesondere Umrechnungen, die auf die zehnfache oder eine vergleichbar „barwertferne“ Jahresleistung abstellen.
Ergänzend sei darauf hingewiesen, dass auch für die Bildung einer Rückstellung in der Steuerbilanz die Rechnungsgrundlagen für die Ermittlung des Kapitalwertes klar und eindeutig aus der Versorgungsordnung hervorgehen müssen.
Wenn Sie Unterstützung bei diesem Thema benötigen, wenden Sie sich gerne an Ihren Kundenbetreuer.
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